Ich genieße den Ausblick auf das herrliche Alpenpanorama, das sich direkt vor mir erstreckt. Mein Frühstückstisch ist gedeckt, der Kaffeeduft zieht zu mir herüber und die Sonne sorgt, neben einem Lächeln auf meinen Lippen, auch für eine wohlige Wärme. Ich bin die ganze Nacht durchgefahren, um SIE endlich zu treffen. Drei Stunden Schlaf im Auto, da mich die Müdigkeit bei der Nachtfahrt doch irgendwann eingeholt hatte, mussten ausreichen.
Die voran gegangenen Monate waren sehr bewegend, es waren nur zwei, aber diese waren sehr intensiv. Wir hatten uns mehr zufällig durch eine gemeinsame Bekannte in einem großen sozialen Netzwerk kennengelernt. Nach harmlosen Gesprächen über unsere Leidenschaft, die Musik, sprachen wir auch offen über unsere anderen Leidenschaften. Schnell wurde aus einer einfachen Unterhaltung mehr. Es wurde ein ‚Ich will dich‘.
Bereits auf einigen ihrer Bilder ließ sich erkennen, dass sie devot war, und das auch nicht allein auf das devot sein im Sexuellen bezogen. Nein, ich spürte, das hier noch vielmehr schlummerte. Und so versuchte ich dies in der vergangenen Zeit zu ergründen. So waren die Gespräche, wenn auch oft sexuell und durch BDSM belastet, sehr tiefgründig und ermöglichten es uns, den anderen wirklich auch in der Seele zu berühren.
Mehr als einmal dachten wir darüber nach, ob es sich um eine Seelenverwandtschaft handeln könnte. Und ganz ehrlich, nach allem, was wir dazu recherchieren konnten und alledem, was viel später passierte, wird es wohl genau das sein, aber dazu später mehr.
Heut ist also der Tag gekommen. Seit über zwei Monaten haben wir nun täglich Kontakt. Die Sonne hier auf der Terrasse neckt mich. Ich sende Justice ein Foto von meinem Ausblick, ein Foto, das für mich immer wieder eine Erinnerung sein wird, obwohl es noch mehr Fotos von diesem Tag geben wird. Da die Nacht im Auto recht kurz war, begebe ich mich auf mein Zimmer, um noch ein wenig Schlaf zu bekommen.
Schwitzend wache ich auf. Dieser Julitag ist wirklich warm, selbst hier oben in den Bergen. Die Sonne wird nur selten von einer kleinen, vorbeiziehenden Wolke verdeckt. Ich hole mir einen Kaffee am Automaten und setze mich auf die Terrasse um erst einmal wach zu werden. Ich denke dabei an sie, Justice! Ich kann nicht leugnen, dass mich in diesem Moment die Aufregung, sie endlich in meinen Armen halten zu können, einholt. Es waren nicht einfach zwei Monate Kontakt, nein, diese zwei Monate haben uns so nah gebracht, dass wir einander wollten. Nicht einfach sich sehen, nein, es war Liebe.
Nach einer kalten Dusche fahre ich nun hinunter ins Tal, ein wenig meine Umgebung erkunden. Ich setze mich in ein Café und sende ihr ein Selfie. „Ich wünschte du wärst jetzt hier.“, schreibe ich ihr. Nur noch wenige Stunden trennen uns, dann sind wir endlich vereint.
Ich sehe der Sonne zu, wie sie immer weiterzieht, wie der Schatten sich ändert, die kleinen Wolken, wie sie Schatten auf den Berg vor mir werfen. Was nicht vergeht, ist die Zeit.
Die letzten Wochen waren schwer für uns beide, da die Sehnsucht auf einander von Tag zu Tag größer wurde. Je mehr wir voneinander wussten, desto mehr wollten wir uns. Jedes noch so kleine Detail aus unserem Leben war dem anderen nicht fremd. Auch entwickelten wir in dieser Zeit gemeinsam ausgefallene sexuelle Fantasien, die es nun auszuleben gilt. Fantasien, die sicher bei dem ein oder anderen mehr als nur Schamesröte ins Gesicht treiben würden. Aber es waren unsere Fantasien, die uns keiner nehmen konnte. Mehr als einmal haben wir am Telefon gemeinsame Orgasmen erlebt, allein bei der Vorstellung diese, unsere Fantasien auszuleben. Noch war alles nicht real, aber es war in greifbare Nähe gerückt.
Zurück in meinem Zimmer in meiner kleinen Pension auf dem Berg, bekam Justice Angst, Angst davor, ob das, was wir vorhaben, wirklich richtig sei, ob das, was wir haben, wirklich so ist, wie wir es empfinden oder ob es doch nur eine Schwärmerei ist. Und auch die Angst vor sich selbst, da sie nun das erleben könnte, was sie sich schon so lange gewünscht hatte.
Unter der Dusche versuche ich meine eigene Aufgeregtheit in den Griff zu bekommen. Ich stehe lange unter dem heißen Strahl, der meine Haut rot werden lässt. Das Klingeln meines Telefons holt mich in die Realität zurück. Es ist Justice! Ich trockne mich ab, ziehe mich an und begebe mich langsam zu ihr. Sie bleibt am Telefon. In meinem Wagen rauche ich noch eine Zigarette. Ein Kilometer mit dem Wagen! Gefühlt brauche ich eine halbe Ewigkeit. Ich stelle den Wagen ab, und laufe die letzten paar hundert Meter. Justice‘ Stimme ist voller Freude und Angst zugleich. Wird es so sein, wie wir es uns erhofft haben? Noch 200 Meter. Die Dunkelheit um mich herum lässt den Weg noch viel länger erscheinen. Das frisch gemähte Heu duftet nach Sommer. Noch 100 Meter.
Am Haus angekommen sehe ich sie oben stehen. Justice. Ich möchte rennen, doch bewege ich mich nur langsam hinauf. Ich blicke sie an, die ganze Zeit. Die Treppe scheint kein Ende zu nehmen. Sie öffnet die Tür zur Terrasse. Justice. Ich packe sie kräftig mit der einen Hand in ihre Haare, mit der anderen kneife ich hart in ihre Brustwarze, dann lege ich die Hand um ihren Hals, küsse sie so, als wenn es keinen Morgen mehr gäbe…